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AutorenbildSandra

Innere Sprache als Tor

Die Beschäftigung mit innerer Sprache gibt uns eine Idee davon, was ihr voraus geht.


Unsere Gedanken und die Felder, in denen sie bestehen, sind uns teilbewusst. Wir nehmen wahr, wenn sich in uns ein Gedanke formt, der sprachlicher Natur ist. Neben den sprachbewussten Gedanken gibt es eine Art Gedankenfläche, die uns etwas schwerer zugänglich ist. Dass da mehr ist, als „nur“ der bewusste Gedanke, spüren wir zum Beispiel in der Meditation - und ich fasse dieses Wort durchaus weiter auf als das bewusste Sitzen. Meditation ist ein bestimmter Zustand des „Leerlaufs“, in dem ich mich - willkürlich oder unwillkürlich - von der Fokussierung auf den Verstand löse und in einen Zustand „höherer“ Bewusstheit wechsele. Dieses „Höhere“ besteht darin, dass ich mich aus der Identifikation mit meinen Gedanken löse, indem ich sie schlicht wahrnehme, ohne mich mit ihnen zu verbinden. Indem ich die Gedanken ziehen lasse und sie eben nicht an mich anhefte, gewinne ich an Raum. Um mich herum ist nun, statt einem Durcheinander aus Gedankenfäden, -Flächen und konkreten Gedankenbahnen, ein Leerraum entstanden. In diesen Leerraum hinein kann ich entspannen. Und diese Entspannung ist zugleich ein Loslassen von dem, was wir Ballast nennen. Indem alles, was mich sonst umgibt und beschäftigt, ein Stück zurückweicht, indem ich mich ein Stückweit erhebe und den Raum darum herum wahrnehme, spüre ich mein Sein. Das klingt jetzt hochtrabend, kitschig oder esoterisch - all diese Begriffe sind so inflationär und vielleicht schreckst Du innerlich ein bisschen zurück. Das kann ich gut verstehen. Die sprachliche Überreizung ist hoch. Es ist nicht leicht, diese Prozesse zu versprachlichen. Und ich hoffe, Du siehst mir die kitschigen Worte nach und spürst einmal in Dich hinein, was diese Worte eigentlich aussagen.


Worum geht es? Jenseits aller Sprache? Im Leben? Wir möchten uns fühlen, uns erleben, ganz dicht bei uns sein, an unserem Puls. Wir möchten mit uns in Kontakt sein, tief angekommen, in uns selbst Zuhause. Wir möchten wahrnehmen, was da ist - wie wir sind, wie wir ticken, was uns warum etwas ausmacht. Wir möchten ganz sein, in unserer Mitte stehen, klar und genauso stabil wie flexibel. Im Fluss stehen. Nicht daneben. Wir möchten glücklich sein, uns halten und begleiten können in unseren Aufs und in unseren Abs. Wir möchten unseren Erfolg finden, unsere eigene Form von Fülle und unsere eigenen Wege in Beziehungen. Wir möchten, dass es leicht geht, dass es einfach ist, dass es sich lebendig anfühlt. Dass wir Kraft und Energie haben. Ideen und Freude. Das alles sind einfache Worte. Einfache Wünsche, die uns zudem auch noch miteinander verbinden. Die wir teilen. Wir sind hier, um zu leben. Wir fühlen, denken, spüren, erinnern uns, wir ziehen Schlussfolgerungen, wir interpretieren, wir speichern auf vielerlei Ebenen ab. Wir entwickeln extrem komplizierte Strukturen und Strategien, um uns zu schützen. All das gehört zum Menschsein. Wir alle kennen das Gefühl, dass es zu kompliziert wird, zu komplex, fast schon absurd, sich vorzustellen, dass es auch leicht sein kann. Wir spüren einen inneren Konflikt, der enorm viel Energie verbrennt. Die Sehnsucht nach Leichtigkeit - und das Empfinden von enormer Kompliziertheit. Jedes Thema, innerlich oder in der Welt, hängt mit allem zusammen, bildet neue Felder, türmt sich in schwindelerregende Höhen auf, verquirlt sich und sprengt in 100000 Wahrheiten und Sichtweisen auseinander. Wir können uns abwenden - oder wir können uns Gerüste bauen, die uns in dieser Bewegung Halt geben sollen. Beides ist wenig befriedigend und nichts davon hat mit Leichtigkeit oder Glück zu tun. Das eine ist eine Ausweichbewegung des Versteckens - das andere ist ein Verhärten. Nichts davon ist falsch - wir sollten uns nur bewusst darüber sein, was in uns geschieht.


Die Beschäftigung mit innerer Sprache ist das Wahrnehmen von dem, was ist. Aus all meiner Erfahrung mit mir selbst und aus meiner langjährigen Praxis als Bewusstseinscoach und Begleiterin in diesen Prozessen würde ich sagen, dass die Wahrnehmung schon ungefähr 80% dessen ausmacht, was wir dann schließlich rückwirkend als Gamechanger bezeichnen. Das Schöne beim Wahrnehmen ist, dass wir etwas ansehen, was sowieso DA ist. Wir müssen nichts extra suchen oder hinein legen. Und wie schon in der Schule, wenn wir eine zurück gegebene Klassenarbeit nicht aufschlagen wollten, um die Note nicht sehen zu müssen - ungefähr genauso möchten wir auch nicht sehen, was in uns wirklich ist. Wie wir uns wirklich fühlen. Warum nicht? Weil wir Angst haben vor der Veränderung? Weil wir Angst haben vor dem Gefühl, was diese Wahrnehmung in uns auslösen könnte und weil wir uns nicht zutrauen, dieses Gefühl (aus) zu halten? Weil wir Angst haben, uns zu verlieren, uns aufzulösen, einfach vor Nichtaushaltenkönnen zu vergehen? Ja. Das alles - und noch viel mehr. Wir haben keine Übung darin, in diese Prozesse zu gehen. Daher haben wir auch keine Erfahrungen, wie es ist, darin zu sein und zu fühlen. Keine Referenzwerte dafür, was das für ein „anderes Lebensgefühl“ sein soll. Es fühlt sich gefährlich an, in die eigene Gefühlswahrheit hinein zu spüren. Vielleicht auch, weil wir davon ausgehen, dass wir dann alles verändern müssen. Dass wir nicht so weiter leben können wie bisher. Rein gedanklich geht sofort die Post ab. Der Verstand dreht durch, er entwirft Szenarien, die jedesmal in einer Apokalypse endet. Und ja - der Verstand ist ja nicht doof. Er bezieht sich nur einfach auf Bedenken. Er ist nicht leicht. Er tut, was er soll: Nämlich alles in Betracht ziehen. Und wenn Du ihm nicht genau gesagt hast, was er machen soll, dann schießt er ins Kraut. Dann entwirft er in einem wilden Ringelpietz 1000 verschiedene Gedankenkarusselle. Der Verstand ist kein Entscheider. Kein Pionier und kein Entdecker. Er ist ein prima Umsetzer. Er kann: etwas strukturieren, Lösungswege zum Ziel ausarbeiten. Er kann aber nicht: Neuland betreten, Ziele definieren, etwas tun, was ihn zu untergaben scheint oder sich selbst entmachten. Du kannst wahrnehmen, was ist - und trotzdem einfach da bleiben, wo Du bist. Nicht alles wird sich plötzlich ändern - und schon gar nicht ohne Dein Zutun! Du entscheidest ja selbst, was Du mit dem machst, was in Dir ist. Es geht darum, Dich selbst kennen, spüren, lieben, halten, heilen, sehen, regulieren, feiern, leben zu lernen. Es geht darum, Dich selbst in das hineinzugeben, was Du sowieso schon bist. Wenn Du da bist, ist Dein Leben anders, weil Du Dich anders fühlst. Und alles andere wird Dir dann nachfolgen. Einfach darum, weil Du eine andere Perspektive hast, weil Du anders reagierst und auch insgesamt mehr agierst, weil Du anders kommunizierst und einen anderen Umgang mit Konflikten hast. Weil Du spürst, wann Du „neben Dir stehst“ und weißt, was Du brauchst, um wieder bei Dir zu sein.


Die Wahrheiten, die uns am Herzen liegen, sind einfach. Sie sind nicht kompliziert. Wir können neu lernen, ihnen zu lauschen. Wir können ihnen begegnen, sie begrüßen und uns dafür entscheiden, ihnen Raum zu geben. Uns den Raum zu geben, sie sich zeigen zu lassen. Fühlbar werden zu lassen. Die dicke Decke, den Deckel darüber abzunehmen. Das wilde Karussell anzuhalten oder ganz auszusteigen.



Ein Karussell, das sich dreht.
Wahrnehmen ist ein Heraustreten aus dem Gedankenkarussell

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